“Bon voyage – Wie Lapinou ein neues Zuhause fand “
– Tamaras Erfolgsgeschichte
Im September 2016 zog ich in meine Lieblingsstadt Paris, um dort für mehrere Monate als
Fremdsprachenassistentin zu arbeiten. Und das nur fünf Métrostationen vom Eiffelturm
entfernt – für mich ein absoluter Traum. In dieser Zeit hatte ich eine ganz besondere
Begegnung, die nicht nur mein Leben auf den Kopf gestellt hat.
Ich wohnte in einer Schulwohnung, die sich in einem hinteren Gebäude meines Lycées
befand. Schon kurz nach meiner Ankunft bemerkte ich, dass dort ein Kaninchen hauste.
Einsam im dunklen Gang abgestellt und in einen viel zu kleinen Käfig eingesperrt, in dem es weder hoppeln noch „Männchen machen“ konnte – wie ein Vogel, der nicht fliegen darf. Das
Tier, von seinen damaligen Besitzern „Lapinou“ („kleines Kaninchen“) genannt, saß die ganze Zeit apathisch in der Ecke und führte ein trostloses Dasein. Der Käfig wurde nur ungefähr alle
zwei Monate sauber gemacht. Jeder, der mich besuchte, war schockiert über diese Zustände. Als ich mich bei der Schulverwaltung beschwerte, meinten die Sekretärinnen nur, ich solle
doch einfach den anderen Ausgang nehmen, wenn mich dieser Anblick so traurig mache. Vor diesem Leid konnte und wollte ich aber nicht länger wegschauen. Eine einfache und
unbürokratische Lösung musste her!
Ende März traf ich die Besitzerin wieder einmal zufällig im Gang. Obwohl ich eigentlich mit einer Freundin verabredet war und es eilig hatte, wusste ich: Jetzt ist der richtige Moment.
Ich war ziemlich aufgeregt. Da ich zu dieser Zeit schon fließend Französisch sprach, gab es zum Glück keine Sprachbarrieren. Ich versuchte sie davon zu überzeugen, dass Lapinou bei
mir besser aufgehoben wäre. Eines meiner Argumente lautete, dass sie dann auch weniger Arbeit hätte. Sie wollte erst noch mit ihrem Mann reden, doch ich hörte nichts mehr von ihr.
Ein paar Wochen später, kurz bevor mich meine Familie besuchen kam, sah ich die Frau wieder und sie sagte auf einmal: „Übrigens, Sie können das Kaninchen haben!“ Damit hatte
ich nicht mehr gerechnet, aber natürlich freute ich mich riesig. Nun musste ich ihr nur noch beibringen, dass meine Eltern es schon bald mit nach Deutschland nehmen würden. Auch das
gelang mir. Nachdem ich noch schnell ein Transportkörbchen organisiert hatte, konnte Lapinous Reise endlich beginnen.
Am 15. April 2017 erlebte Lapinou mehr als in seinem ganzen Leben zuvor: Er fuhr mit Métro, TGV, Deutscher Bahn und Bus von Paris bis an den Bodensee. Laut meinen Eltern schaute er
während der ganzen Fahrt neugierig aus dem Fenster und schien keine Angst zu haben. Ein großes Merci an meine Familie – allein hätte ich das alles nicht geschafft.
„Lapi“ lebt jetzt schon fast fünf Jahre in Deutschland. Mir geht immer noch das Herz auf, wenn ich sehe, wie er stundenlang frei herumhoppelt, sein Karottengrün im Nullkommanichts
verschlingt oder einfach ganz entspannt daliegt und seine weißen, puscheligen Pfoten ausstreckt.