< zurück

18. April 2020

“Kleine Schritte”

– Lydias Erfolgsgeschichte

Nach 36 Jahren zum ersten Mal zu spüren, dass man sein Leben von einem Tag auf den anderen komplett ändern kann, war für mich eine sehr einschneidende Erfahrung. Bei mir war es so mit dem Verzicht auf Fleisch.

Auslöser war ein Video auf Youtube, wie es sie zu Hunderten gibt. Eine Frau möchte an der Wursttheke Fleisch kaufen. Anstatt fein säuberlich geschnittener Filets, zeigt ihr der Verkäufer ein lebendiges Ferkel. Völlig erschrocken springt sie zurück und beschimpft den Mann hinter der Theke. Das hat bei mir alles verändert.

Aufgewachsen auf dem Land, stellte ich meine Ernährung nie wirklich in Frage. Obst und Gemüse gab es aus dem Garten, Eier von unseren Hühnern, manchmal wurde auch eines geschlachtet. Woher Wurst und Braten kamen, hinterfragte ich selten. Vom Fleischer halt oder aus der Plastikverpackung im Supermarkt. Und Fleisch gehörte nun mal dazu und das nicht nur sonntags. „So viel esse ich nun auch wieder nicht“, dachte ich, „jedenfalls nicht mehr als andere. Und die stört es ja auch nicht.“
Hellhörig wurde ich nur, wenn ich sah, was bei meinen Großeltern auf den Tisch kam: viele Eintöpfe, meistens mit Speck, aber auch Grützwurst und Griebenschmalz, Innereien, manchmal Zunge. „Wenn wir ein Schwein geschlachtet haben“, so meine Oma, „haben wir davon ein halbes Jahr gegessen“. Für mich war es unvorstellbar, solche Dinge zu essen. Was war früher anders, als jetzt?

Dass unsere Lebensweise nicht mehr die unserer Großeltern ist, war mit bewusst. Aber welche Konsequenzen von diesem Wandel für unsere Umwelt ausgingen, habe ich lange nicht wahrhaben wollen.
Angeregt durch Gespräche mit einigen, wenigen Freunden, wuchs tief in mir das Bedürfnis nach mehr Achtsamkeit. Vor allem Achtsamkeit im Umgang mit unserer Natur und den Tieren, die wir essen und die durch Massentierhaltung unter absolut unwürdigen Bedingungen gezüchtet werden.
Ich beschloss also auf Fleisch zu verzichten. Kein Tier sollte mehr für mich sterben und vorab unter unvorstellbar grausamen Bedingungen gehalten werden, um bei mir auf dem Teller zu landen. Die Umstellung fiel mir erstaunlich leicht und fühlte sich gut an. Zufrieden über diese Veränderung, setzte sich jedoch langsam eine riesige Gedankenkette in Gang: bringt ein kleiner Schritt überhaupt etwas, wenn der nächste ausbleibt? Ist er nicht nur vorgeschoben, um mein Gewissen zu beruhigen? Müsste ich nicht noch viel radikaler meinen Konsum ändern, um wirklich nachhaltig und mitfühlend zu handeln?
Innere Zweifel und kritische Stimmen meines Umfeldes wurden lauter.
Darf ich jetzt noch Lederschuhe tragen? Oder Eier essen? Was ist mit Gummibärchen?  Wie kann ich mich erklären, ohne mich zu rechtfertigen oder belehrend zu wirken? Und welche Auswirkungen hat meine Entscheidung auf meine Familie?
Was mich beeindruckt hat, war die Reaktion unserer damals 8-jährigen Tochter. Als ich ihr erklärte, warum ich auf Fleisch verzichten möchte, war sie von Anfang an dabei. Von heute auf morgen aß auch sie kein Fleisch mehr. Nur einmal im Jahr genießt sie Omas Buletten. Und das ist völlig ok. Und für sie ist es ein ganz besonderes Geschmackserlebnis.

Die Zweifel kommen auch heute immer wieder. Tue ich genug? Sollte ich nicht komplett auf tierische Produkte verzichten?
In der Familie haben wir den Druck herausgenommen: wer Fleisch essen möchte, macht das. Aber wir sprechen darüber, wie es den Tieren ging und kaufen fast ausschließlich Bio-Fleisch. Auch in anderen Bereichen haben wir etwas verändert:  ein Seifenstück ersetzt Flüssigseife in Plastikflaschen, unser Biomüll landet konsequent auf dem Kompost, Kuhmilch ergänzen wir zunehmend durch Erbsen- oder Hafermilch, wir kaufen verstärkt Glas- anstatt Plastikflaschen, haben fast immer einen Stoffbeutel dabei und kaufen mehr Second Hand Klamotten als vorher.

Der Weg ist noch lang, aber wir gehen ihn in kleinen Schritten. Manchmal auch einen Schritt zurück, aber zumindest sind wir uns bewusst darüber. Auch wenn ich weiß, dass es noch Vieles zu hinterfragen und zu verändern gibt, fühle ich, dass wir auf einem guten Weg sind. Und ich bin  überzeugt, dass auch viele kleine Schritte eine große Wirkung haben und jede Handlung, jeder Satz und jeder Gedanke, die Welt positiv verändern kann.

Mach auch aus Deinem Wunsch eine Erfolgsgeschichte! Lass Dich inspirieren durch das APRIL Workbook!