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“Gemeinsam geht es besser”

– Katjas Erfolgsgeschichte

Wie so viele Menschen ist auch unsere Nachbarschaft schockiert über den Angriffskrieg von Russland in der Ukraine. Wie gelähmt sehen wir die Nachrichten, fühlen uns hilflos gegenüber so viel Leid. Seit einigen Jahren arbeite ich bereits im Integrationsbereich und habe beruflich mit der Situation geflüchteter Menschen zu tun. An einem Freitag vor einigen Wochen schrieb mich meine Nachbarin an. Sie pendelt beruflich bedingt regelmäßig von Sachsen nach Flensburg und hat in Flensburg ein Reihenhaus neben uns. In dieser Nachricht schreibt sie, dass sie sich vorstellen kann, Geflüchtete aus der Ukraine bei sich aufzunehmen. Am gleichen Tag sitze ich mit meiner Familie zusammen und wir überlegen gemeinsam, wie wir helfen können. Da ruft mich ein junger Mann an und erzählt, dass seine ukrainische Freundin sich auf den Weg zur ukrainisch-polnischen Grenzen machen wird, um ihre Schulfreundin mit deren Mutter und Kindern sowie ihrer Nachbarin mit ihrem Sohn aus dem Kriegsgebiet nach Flensburg zu holen. Er fragt, ob ich eine Idee habe, wo sie die sechs unterbringen könnten. Dann geht alles ziemlich schnell. Ich spreche mit meiner Nachbarin, sie fasst sich ein Herz und entscheidet spontan, dass sie genau diesen Menschen helfen möchte.
Nun ist ihr Haus eher rudimentär eingerichtet und nicht für mehrere Menschen ausgelegt. Kurz nach ihrer Entscheidung gründet sie eine WhatsApp-Gruppe, lädt unsere Nachbarschaft ein und dann geht es los. Innerhalb von drei Tagen packen alle an, tragen Möbel, Handtücher, Decken, Kissen, Bettwäsche, Kinderspielzeug, Kleidung und Geld für die erste Zeit zusammen – es sind wirklich viele engagierte Menschen beteiligt. Per WhatsApp fiebert die Nachbarschaft mit den sechs mit, die eine gefährliche und sehr lange Flucht hinter sich hatten, bevor sie ein paar Tage später in Flensburg ankommen.

Eine Einrichtung, in der Menschen mit Behinderung wohnen und arbeiten, hat mit großer Begeisterung einen großen Topf Hühnersuppe gekocht und diese zur Begrüßung angeliefert. Als die sechs ankommen, sind wir alle ein wenig überfordert von der Situation. Meine Nachbarin hilft uns allen durch ihre offene, herzliche und fröhliche Art. Außerdem ist die ukrainische junge Frau, die mit einem Freund zur Grenze gefahren ist, eine super Dolmetscherin und so können wir uns alle ein wenig verständigen. Wir essen zusammen und den drei Frauen und ihren Kindern ist anzumerken, was sie gerade hinter sich haben. Schließlich mussten sie ihre Männer, Väter und Freunde zurücklassen.
Die beiden drei- und neunjährigen Jungen spielen jedoch recht unbekümmert. Der Große kommt mit zu uns in den Garten und spielt mit meinen Söhnen Fußball – ein paar Brocken Englisch helfen allen dreien sich ein bisschen austauschen zu können. Das 14-jährige Mädchen ist sehr in sich gekehrt und zurückhaltend.

Jetzt heißt es erst mal ein bisschen zur Ruhe zu kommen und gleichzeitig die ersten wichtigen Schritte in Flensburg zu machen. Viele Termine in den Ämtern, Wege in Flensburg mit dem Bus und immer die Sorge um die Familienmitglieder und Freunde, die noch in der Ukraine sind. Meine Nachbarin berichtet auch von viel Trauer, die sie hautnah mitbekommt. Telefonate mit den Ehemännern und die Situation zu Hause machen allen sehr zu schaffen – wie könnte es auch anders sein? Da hilft es, etwas zu tun zu haben und sich ein kleines bisschen Alltag in Flensburg aufzubauen.
Eine der beiden Frauen ist Frisörin und schneidet kurzerhand allen, die es möchten, die Haare. Unsere ganze Familie kommt zu einem neuen Haarschnitt und alle haben das Gefühl etwas Wertvolles füreinander zu tun. Die Verständigung ist nicht einfach, denn nicht immer ist die ukrainische Freundin, die bereits viele Jahre in Flensburg wohnt, dabei. Aber mit einem Übersetzungsprogramm, ein bisschen Englisch und viel Geduld von allen Seiten, kommen wir Stück vor Stück voran.

Es ist noch viel zu tun, als nächstes stehen Sprachkurse und Kitaplatzsuche an. Aber die beiden Großen gehen schon in die Schule und sind dort gut angekommen. Mittlerweile ist der neunjährige Junge mit seiner Mutter bei einer anderen, sehr netten und engagierten Familie untergekommen, denn zu sechst war es dann doch ein bisschen zu eng. In der Nachbarschaft hat uns das Engagement für eine gute Sache näher zusammengebracht und es hat uns gut getan, endlich etwas tun zu können, dem lähmenden Gefühl der Hilflosigkeit etwas entgegensetzen zu können. Wir alle hoffen das Beste für alle sechs und versuchen mit vereinten Kräften unseren Teil beizutragen. Denn eines haben wir gelernt: Zusammen geht es besser!

Mach auch aus Deinem Wunsch eine Erfolgsgeschichte! Lass Dich inspirieren durch das APRIL Workbook!