13. April 2017
“Angst verflogen”
– Christins Erfolgsgeschichte
Ich hatte Flugangst. Die Angst war gnadenlos. Ich erinnere mich an großen Kummer, den diese Schwäche für mich zur Folge hatte.
Im Sommer lernte ich einen Luftbildredakteur kennen. Kennst Du den Beruf des Luftbildredakteurs? Es ist die Kombination aus Luftbildjournalist und Flugzeugführer. Er ist also flugbegeistert und fotografiert fliegend aus der Luft. Dafür bekommt er konkrete Aufträge oder fliegt in Eigenregie über Ereignisse. Die Aufnahmen stehen in Datenbanken Agenturen zur Verfügung, die damit Zukunft, Events oder Bauvorhaben visualisieren. Sicher hat sich dieser Beruf in den letzten Jahren auch verändert. Im Luftraum gibt es wohl inzwischen noch mehr Einschränkungen. „Mein“ Redakteur hatte eine Cessna. Bei einem Kaffee kamen wir auf meine Flugangst zu sprechen und er meinte: „Du musst mit mir fliegen! Du weißt ja gar nicht, wie schön es da oben ist. Besonders der Blick…“ und ich beendet den Satz „…nach unten!“ Mir stockte der Atem.
Als meine Tochter im Ferienlager war, hatte Max einen Auftrag in Frankfurt/Main (FFM) zu erledigen. Er bot mir an, ihn zu begleiten – ich willigte ein. Am Flugtag war das Wetter mit einem hübschen Sonne-Wolken-Mix garniert. Nach der Vorbereitung konnten wir vormittags starten und FFM anfliegen. Der Sonne-Wolken-Mix hatte eine erhebliche Thermik zur Folge. Unsere Maschine sackte manchmal ab, mein Magen folgte diesem Trend. Ich konnte kaum Luft holen. In den Sonnenphasen war es warm im Cockpit und in den Schattenphasen echt kühl. Zwischen Hitze und Kälte war es mir absolut übel und ich lechzte nach festem Boden unter den Füßen.
Von der Luftaufsicht FFM erhielten wir für nachmittags einen Slot zum Überfliegen der Stadt und des Waldstadions. Dies befand sich damals noch im Bau. Früher Nachmittag hieß für uns, Pause einlegen und so pausierten wir an einem kleinen Sportflughafen nördlich von FFM. Mir war so schlecht, dass ich überzeugt war, nicht noch einmal in die Maschine zu steigen. Meine Stimmung besserte sich nach einem guten Essen und viel Zuspruch. Dennoch zitterte ich beim Einsteigen. Wir flogen nach FFM und konnten die lästernden Bemerkungen der Flugsicherung über Miniflieger im Funkkanal verfolgen. Dann kamen die Tower der Großbanken näher und Max nahm die Spiegelreflex zur Hand. Er lehnt sich ans Fenster, dann öffnete er es, dann lehnte er sich mit der Kamera heraus und dann war er mit der Hälfte des Oberkörpers außerhalb der Maschine. „So geht das nicht, ich brauche einen größeren Winkel! – Ich muss das steiler anfliegen, halte Dich fest!“ rief er mir bei geöffnetem Fenster zu. Meine Lippen waren taub, das Gesicht glühte und den Herzschlag konnte ich in meinen Schläfen spüren. Wir flogen um einen Tower, dann um den nächsten. Weiter hoch, weiter runter, er flog scharfe Kurven, in meiner Wahrnehmung standen wir nahezu senkrecht in der Luft. Ich biss die Zähne zusammen, um Max seine Aufnahmen mit der optimalen Bildperspektive zu ermöglichen. Zum Abschluss noch das Stadion, er flog einen weiten Bogen mit etwas Schräglage. Wie auch immer, irgendwann war die Arbeit erledigt und Max steuerte wieder im Normalbetrieb. Wir flogen mit Zwischenstopp nach Berlin – mir ging es prima. An diesem Tag habe ich meine Angst verflogen. Ich war unglaublich stolz. Heute fliege ich beruflich oft und kann die Flüge entspannt genießen.